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Waffenbesitz in den USAUS-Waffenlobby wird immer mächtiger

Trotz immer neuer Massaker: Gekaufte Politiker und rückwärtsgewandte Ideen eines verfassungsgemäßen Grundrechts auf Waffenbesitz lassen Verbotsappelle ins Leere laufen.

Waffengeschäft in den USA. Bild: dpa

BERLIN taz | Wie oft müssen solche Tragödien noch geschehen, bis die USA den privaten Waffenbesitz endlich unter Kontrolle bringen? Das fragten sich nach der Bluttat in Colorado viele Kommentatoren innerhalb und außerhalb der USA.

Die Debatte ist nicht neu, doch es tut sich nichts. Ein Blick auf die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl verdeutlicht das Dilemma: Amtsinhaber Barack Obama hatte sich einst dafür ausgesprochen, das 2004 abgelaufene Verbot des Verkaufs von Sturmgewehren mit großen Magazinen an Privatleute zu erneuern. Einmal gewählt, unternahm er nichts.

Mit dem AR-15 – dem Vorbild des in der US-Armee lange eingesetzten M-16 – verfügte auch der Schütze von Colorado über ein solches Sturmgewehr.

Der Republikaner Mitt Romney hatte noch als Gouverneur von Massachussetts ein solches Verbot eingeführt. Heute erklärt er das aber für falsch.

Knarre im Schrank

Der Anteil der Amerikaner, die privat eine Waffe besitzen, ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Das berichtete kürzlich das amerikanische Violence Policy Center, das sich für stärkere Kontrollen einsetzt. So gaben im Jahr 1977 noch 54 Prozent aller US-Haushalte an, privat über Waffen zu verfügen. 2010 waren es "nur" noch 32,3 Prozent.

Zu den Gründen für diesen Rückgang zählte die Studie neben dem Ende der allgemeinen Wehrpflicht, einem allgemein sinkenden Interesse junger Männer an Waffen und der sinkenden Popularität der Jagd unter anderem die Tatsache, dass heute mehr Haushaltsvorstände alleinerziehende Frauen sind - und Frauen sich traditionell weniger für Waffen begeistern als Männer.

Ein Trost ist das nicht. Der Anteil Waffen besitzender Amerikaner mag geschrumpft sein - aber in deren Schränken und Garagen sammeln sich immer größere Mengen an Waffen und Munition. (taz)

Beide fürchten – zu Recht – den Einfluss der großen Waffenlobby der USA, die in der National Rifle Organsation (NRA) organisiert ist. Die NRA ist reich und unterstützt Politiker mit viel Geld. Sie lässt Gesetze auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene durchpeitschen – und muss immer weniger entschiedene Gegner fürchten.

Die NRA wendet sich gegen jegliche Kontrolle privaten Waffenbesitzes. Sie beruft sich dabei auf den zweiten Verfassungszusatz, in dem es heißt: „Da eine wohl organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden.“

Der Zusatz stammt aus dem Jahr 1791. Die Milizen, denen in jenen Gründerjahren praktisch jeder männliche Weiße angehörte, gibt es längst nicht mehr.

Verfassung als Waffe

Aber der Verfassungszusatz, inzwischen interpretiert als nahezu unbeschränktes Recht jedes einzelnen US-Bürgers, Waffen zu besitzen, existiert nach wie vor. Und der mehrheitlich konservativ besetzte Oberste Gerichtshof hat in zwei Urteilen 2008 und 2010 entschieden, dass auch die lokalen Waffenverbote in Chicago und Washington D. C. gegen die Verfassung verstoßen.

In Colorado, merkte ein Kommentator in der Denver Post an, haben neue Waffenkontrollgesetze noch weniger Chancen. Hier sind die „Rocky Mountain Gun Owners“ besonders einflussreich.

Die Waffenfans formieren sich

Sie bedrängten die Senatoren des Bundesstaates in den letzten Wochen, im Senat gegen die Ratifizierung des neuen UN-Kleinwaffenabkommens zu stimmen. Ihr Geschäftsführer, Dudley Brown, schrieb am Samstag eine wütende Tirade gegen den New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, der seit Langem für strengere Waffenkontrollgesetze in den USA eintritt: Bloombergs „skrupelloser Versuch, das Blut dieser Unschuldigen zu benutzen, um seine radikale politische Agenda umzusetzen“ sei „ekelerregend“, schrieb Dudley.

Im Internet warnen Waffenbesitzer vor neuen Kontrollversuchen – und versichern sich gegenseitig, sie würden nie mehr unbewaffnet ins Kino gehen.

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11 Kommentare

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  • F
    Frank

    Das Kino war eine "no gun zone", somit hat der Attentäter erfolgreich sein eigenes Risiko minimiert. Die Gesetzestreuen, welche sich an das Gebot hielten, sind nun tot. Mit einem Waffenverbot wäre das alles sicher nicht passiert, oder (Ironie)?

  • R
    Renegade

    Diese Debatte ist völlig überflüssig. So viele Massaker gibt es in Anbetracht der Bevölkerungs- und Waffenzahl in den USA auch nicht, und wenn man das möchte, bekommt man seine Waffen ja auch irgendwie so.

     

    Die Anzahl an tödlichen Zwischenfällen mit legalen Waffen ist äußerst gering und selbst davon wäre ein bedeutender Teil auch ohne Schusswaffen verübt worden.

     

    Die Gesetze sind nicht zu lax und hier in Deutschland gibt es erst recht keinen Handlungsbedarf (zumindest in Richtung stärkere Gesetze). Und hat auch Mal jemand daran gedacht, dass Schusswaffen in den USA auch Gewaltverbrechen verhindern, wenn sie zur Selbstverteidigung eingesetzt werden?

     

    Und wenn die bösen Menschen an Waffen kommen, wäre es nicht praktisch, wenn die Guten auch welche hätten? Zufällig jährt sich ja auch das Massaker in Norwegen, man stelle sich nur vor, wie viel weniger Opfer es hätte geben können, wenn irgendjemand die Möglichkeit gehabt hätte zurückzuschießen.

     

    Naja, wieder ein typisch einseitiger Artikel der von einem Zwischenfall, der auch noch so tragisch sein kann, auf unsinnige Forderungen kommt.

     

    „Da eine wohl organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden.“

     

    Stimmt übrigens. Ohne Waffen ist man seinem Staat, der an nichts anderes als ein Stück Papier, das er letztendlich interpretiert, wie es ihm passt, ausgeliefert. Widerstand gegen das Gewaltmonopol unmöglich.

  • FF
    @ FMH

    Auch das stimmt nicht.

    Eine Beschränkung der Magazinkapazität auf zwei Schuss (+ eine Patrone in der Kammer) bei Halbautomaten besteht nur für Jäger und auch da nur während der Jagd (§ 19 I 2. c) BJagdG).

    Auf dem Schießstand darf auf der Jäger, wie der Sportschütze auch, Magazine beliebiger Kapazität verwenden.

  • SW
    Sven WPunkt

    Suppen von Befürwortern laxer Waffengesetze sind nicht nur versalzen, sondern auch seit vorgestern schon abgestanden. Bitte behalten Sie ihre ideologische

    Giftmischerei vom Publikationslevel doch auf dem üblichen Stammtischniveau, wo Ideologiegeschmack wohl nicht nur versalzen, sondern auch menschenlebensverachtend ist.

     

    Der Punkt ist ausserdem nicht, ob das ganze auch so in Deutschland passieren könnte, sondern dass es in beiden Ländern die Gesetze zu lasch sind - nicht um Einzeltäter abzuhalten, sondern generell mal klar zu stellen, dass man als Bürger kein Grundrecht auf potentiellen Mord und Totschlag hat, sondern ein Grundrecht auf Leben.

  • F
    FMH

    Ein einfacher Blick in Wikipedia hätte gezeigt, dass ein AR-15 kein Sturmgewehr ist, sondern eben die zivile, halbautomatische Variante des M-16 - und somit auch in Deutschland für entsprechend berechtigte zu erwerben.Mit Beschränkung des Magazins auf drei Schuss zwar, aber größere Magazine sind vollkommen frei verkäuflich - dazu braucht man nicht einmal eine Berechtigung - es ist nur illegal sie zu benutzen.

    Somit macht der gesamte aufhänger dieses Artikels keinen Sinn. Ein Massaker wie dieses hätte sich auch mit den strengen deutschen Waffengesetzen so abspielen können.

    Allerdings muss ich sagen, dass viele amerikanische Webartikel genau den gleichen Fehler machen - und verschweigen, dass es auch in Colorado kaum möglich ist eine vollautomatische Waffe zu erwerben. Man muss außerdem hinzufügen, dass der Schütze noch eine Flinte und eine Pistole mit sich führte.

  • B
    Überflüssig...

    ... die Diskussion hieruzulande. Es gibt ja nicht nur die böse NRA (die m.E. fraglos wirklich die Bösen sind) und zahlreiche Politiker die offenbar käuflich sind, sondern auch eine nicht eben geringe Zahl von Waffenbefürwortern in den USA. Wenn man jenseits des großen Teichs der Ansicht ist, dass über 10.000 Tote pro Jahr durch Feuerwaffen ein akzeptabler Verlust an Menschenleben ist, so kann man hierzulande darüber den Kopf schütteln, aber es wird niemanden davon abbringen, weiter fröhlich bei Walmart Schnellfeuerwaffen zu shoppen. Wenn die Amis das eines Tages nicht mehr wollen, dann sollen sie doch einen grünen Präsidenten wählen (wobei ich mir nichtmal sicher bin, welche Positionen diese Partei in punkto Waffenrecht dort vertritt). Tun sie aber nicht. Ergo: lieber die vermeintliche Freiheit und 10.000 Tote pro Jahr als überhaupt keinen Spaß. Das ist furchtbar bitter, aber Blödheit stirbt halt nicht aus. Im Übrigen: die Gesetze, die nötig wären, um solche Massaker zu verhindern, hätten in den USA unter Garantie einen Bürgerkrieg zur Folge. Alles, was legislativ darunter liegt, wird auch keine Amokläufe verhindern, siehe Deutschland. Das ist eben immer das Problem, wenn Lobbys Gesetze schreiben, kennen wir in D und EU ja nun auch bis zum Abwinken...

  • K
    Karl

    Auch wenns wahrscheinlich nicht die Zensur passiert:

     

    Dümmlicher Artikel!

     

    Der Autor sollte mal einen tieferen Blick auf die trivialen Umgehungsmöglichkeiten solcher "Verbote" werfen und entsprechende FBI-Studien dazu zurückgreifen!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • OK
    oma Kruse

    Man sollte nicht immer nur in die USA schauen: Auch Deutschland hat viel zu laxe Waffengesetze und eine mächtige LObby, die bisher jede vernünftige Reform verhindert hat!

  • G
    Groschen

    Sowas kommt von Sowas !

    Wer in den USA wen abknallt, interessiert mich schon lange nicht mehr.

    G.

  • S
    Soso

    Der Täter hätte sich ebenso in Deutschland bewaffnen können. Und zar legal wie illegal. Das mit der Waffenlobby passt halt so schön ins ideologische Bild. Übrigens: Wie kommt es, daß man vom Anschlag in Bulgarien nichts mehr hört? So gar nichts mehr. So wie von dem in Toulouse? Gibt es da eventuell BEI UNS eine Lobby der bestimmte Tote nicht passen weil sie ihr ideologisches Süppchen so häßlich versalzen?

  • JP
    Jim Panse

    Mann muss den zweiten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung gar nicht erst anrühren will man den WaffenVERKAUF kontrollieren.

     

    Im Zusatzartikel heisst es ja nur, dass der Besitz und das Tragen erlaubt sind. Man kann, den politischen Willen vorrausgesetzt, doch einfach den Verkauf verbieten und gleichzeitig den Import.

    Natürlich kommt jeder der unbedingt will, wie in Deutschland, nach wie vor an Schusswaffen, aber dafür liegen die Dinger dann wenigstens nicht mehr im Supermarkt aus.